Fertig Offset bei Flyerline

Fertig Offset bei Flyerline Akzidenzdruck

Text und Bild: Paul Fischer, swiss print + communication, und Flyerline AG

Die Flyerline Schweiz AG gilt als die Onlinedruckerei der Schweiz. Zu Beginn wurden Drucksachen eingekauft, später wurde man selbst zur leistungsfähigen, industriellen Druckerei mit heute 65 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Vor über zehn Jahren investierte man in eine industrielle 70×100-Bogenoffsetmaschine, nun ist der Offsetdruck, nach der Inbetriebnahme der zweiten HP Indigo-B2-Digitaldruckmaschine, Geschichte. swiss print + communication unterhielt sich mit Firmengründer und «Wiederbesitzer» Steffen Tomasi über sein Unternehmen, dessen Zukunft und warum HP Indigo die besten B2-Digitaldruckmaschinen baut.

Es ist ohnehin eine der spannendsten Geschichten der grafischen Branche in der Schweiz. Steffen Tomasi, einst Vermarkter für die Musikbranche, war mit dem Preisniveau von Drucksachen für diese Branche schlicht unzufrieden. Er realisierte, dass man mit Sammelformenproduktionen bessere Konditionen erzielen konnte. 2002 gründete er sein eigenes Unternehmen, um das abzuwickeln. Zuerst arbeitete man mit Unterlieferanten, bald einmal investierte man selbst in industrielle Drucktechnologien. Damit machte er sich in der Druckbranche nicht sehr beliebt. Steffen Tomasi: «Es gab Zeiten, da erhielt ich von Druckereibesitzern Hassmails.» Doch das darf man nach über zwei Jahrzehnten in der Firmengeschichte festhalten: ihm ging es nie um die «Zerstörung» der Druckbranche. Vielmehr hat ihn das Druckgeschäft immer fasziniert. Doch er sah nicht das Bewahren von bestehenden Strukturen als sein Geschäftsmodell, sondern die Suche von Chancen, Innovationen und neuen Marktfeldern. Deshalb war man etwas erstaunt, als er 2016 seine Firma der Wipf-Gruppe verkaufte und als Geschäftsleiter weiterarbeitete. Die Geschichte nahm dann eine ziemliche Wendung: 2023 kaufte er die Flyerline Schweiz AG wieder zurück und er gibt, wie man es von ihm kennt, wiederum ordentlich Vollgas. Die Meldung, mit der Inbetriebnahme der zweiten HP Indigo 100k nun den Offsetdruck abgelöst zu haben, ist aus Branchensicht natürlich spannend, doch es ist nur ein Puzzleteil in einer umfassenden Vorwärtsstrategie.

Fertig Offset bei Flyerline Akzidenzdruck

Flyerline ist anders

Im Zusammenhang mit der Flyerline Schweiz AG kommt es im «Branchenverständnis» oft zu falschen Annahmen rund um die Firma aus Altnau. Erstes Missverständnis: auch wenn die Flyerline «normale» Akzidenzdrucksachen wie Flyer anbietet, ist sie eben keine klassische Akzidenzdruckerei. Steffen Tomasi verfolgt seit Jahren eine klare Fokussierungsstrategie mit drei Standbeinen: hochwertige Drucksachen, Werbetechnik und Verpackungen. Dementsprechend wurde und wird auch die Investitionspolitik betrieben. In Altnau findet man spezialisierte Produktionsstrassen, die es dem Unternehmen ermöglichen, die gesamte Wertschöpfung aller Standbeine im eigenen Haus abzudecken. Damit unterscheidet sich die Flyerline Schweiz AG auch von einer «herkömmlichen» Onlinedruckerei, die in erster Linie auf das Prinzip der industriellen Massenproduktion setzt. Ja, die Ursprünge erfolgten im Flyer-Geschäft und man setzte auf Sammelformen, doch Steffen Tomasi erkannte sehr schnell, dass man aus der Schweiz heraus nur mit hochwertigen und spezialisierten Produkten und Dienstleistungen erfolgreich sein kann und nicht mit den billigsten. Steffen Tomasi: «Das Modell, welche beispielsweise die deutschen Online-Anbieter verfolgen, war und ist im Schweizer Markt, aufgeteilt noch in drei Sprachregionen, nur schon von den Druckvolumen gar nie umsetzbar.»

Fertig Offset bei Flyerline Akzidenzdruck
Fertig Offset bei Flyerline Akzidenzdruck
Fertig Offset bei Flyerline Akzidenzdruck
Fertig Offset bei Flyerline Akzidenzdruck

Auch nach dem Verkauf an die Wipf-Gruppe wurde die gewählte Strategie weiterverfolgt. Auf die Frage, warum er die Firma 2023 wieder zurückkaufte, erwidert Steffen Tomasi: «Beide Seiten realisierten, dass wir die Flyerline Schweiz AG in der bestehenden Konstellation nicht so weiterentwickeln konnten, wie es der Markt erfordert.» Mit seiner Rückkehr als Besitzer kann er nun die angedachte Profilschärfung umsetzen:

  • Das Online-Angebot von Flyerline Schweiz AG, welches über 400 Standardprodukte aus den Kategorien Drucksachen, Verpackungen und Werbetechnik umfasst, soll kontinuierlich weiterentwickelt werden.
  • Flyerline Schweiz AG treibt die individuelle Kundenbetreuung und Produktentwicklung voran und bietet neben dem Online-Standardangebot individuell angepasste Lösungen im Bereich sämtlicher Printprodukte.
  • Individuelle Shop-Lösungen zur effizienten Beschaffung von Druckerzeugnissen (Web2Print-Lösungen) werden seit über 20 Jahren für Kunden entwickelt und laufend optimiert
  • Gezielte Investitionen sollen eine höhere Effizienz und Agilität ermöglichen.

Mit diesem Hintergrund wird klar, warum die Flyerline Schweiz AG in eine zweite HP Indigo 100k investiert hat.

Marktradikalität

Steffen Tomasi hält fest: «Ich mag Zahlen und Zahlenanalysen, deshalb weiss ich auch ganz genau, wie sich unser Unternehmen aufgrund der Marktentwicklungen seit 2002 verändert hat.» Generell besteht ein Trend zu kleineren, bedürfnisorientierteren Auflagen. Die Auflagen sinken, die Aufträge steigen. Auf die Frage, wie genau sich die Verhältnisse entwickelt haben, zögert Steffen Tomas einen Moment mit der Antwort: «Man muss aufpassen, worüber wir reden. Geht es um die Werbetechnik, die Verpackung, Akzidenzdrucksachen? Das sind unterschiedliche Märkte mit unterschiedlichen Trends und Marktveränderungen. Deshalb muss man meine Aussage klar im Zusammenhang mit Akzidenzdrucksachen eingrenzen. Als wir mit den Sammelformen anfingen, konnten wir dadurch günstiger produzieren. Wir produzierten in festen Losen von 10 000 oder 7500 Ex. Wenn der Kunde beispielsweise 8000 Ex. wollte, produzierte man das im 10 000er-Produktionslos. Die nicht gebrauchten 2000 Stück wurden dann auf Kundenwunsch oft weggeworfen. Als wir damals die 70×100-Bogenoffsetmaschine kauften, waren die Hauptproduktionslose bereits bei 5000 und 7500 Ex. Bereits damals prognostizierte ich, dass die Auflagen weiter sinken und Individualisierung immer wichtiger würde – damit würde der Offset für uns obsolet, und ich hatte recht. Heute sind bei den «Standardprodukten» bereits 2500 Ex. eine hohe Auflage. Es wird sehr stark auf bedarfsorientiertes Drucken geschaut. Kunden wollen die exakte Anzahl Exemplare; zu sagen: «Wir drucken für dich ein grösseres Produktionslos, als du brauchst, wir werfen dann die nicht benötigten Drucksachen einfach weg», akzeptiert niemand mehr. Gleichzeitig steigt der Bedarf an individuellen Lösungen enorm. «Das ist ein Trend, den wir nicht nur bei den Akzidenzdrucksachen sehen, sondern ebenfalls in der Verpackung und der Werbetechnik. Es ist dieser Mix aus verschiedenen Kundenbedürfnissen, die wir mit dem analogen Offsetdruck einfach nicht mehr abdecken können. Der Markt hat sich radikal gewandelt und das geht so weiter. Wir haben Marktentwicklungen immer antizipiert, und dementsprechend kam die zweite HP Indigo 100k als Ablösung unserer Offsetmaschinen. Im Plakat-Bereich setzen wir auf eine neue Generation von leistungsfähigen Digitaldrucksystemen, und in der Verpackung haben wir soeben ein grosse, vollautomatisierte Faltschachtelproduktionsanlage, mit der wir individuelle Kundenansprüche durchgehend umsetzen können, installiert.»

HP Indigo 100K

Die Flyerline Schweiz AG setzt bereits seit fast zehn Jahren auf B2-Bogenmaschinen aus dem Hause HP Indigo. 2021 investierte man als einer der weltweit ersten Anwender in eine HP Indigo 100k. Im Frühling dieses Jahres kam die zweite Maschine hinzu. Bis Ende dieses Jahres sollen beide Maschinen auf den Standard HP Indigo 120k aufgerüstet werden.

Warum setzt die Flyerline Schweiz AG bedingungslos auf B2-Maschinen von HP Indigo, obwohl viele in der Branche den Mehrwert des Formats bezweifeln und auf die angeblich zu hohen Kosten hinweisen? Steffen Tomasi: «Zu allen, die sagen, B2-Digitaldruck bringe keinen Mehrwert, sage ich: warum nicht? Das mit den hohen Kosten ist falsch. Wie ich gesagt habe, kenne ich unsere Zahlen sehr genau und wenn ich mir die Produktivität und die Kosten pro Quadratmeter anschaue, ist die HP Indigo 100k top! Die Maschine bringt mir alles, was ich brauche, und ich kann mit ihr wirtschaftlicher arbeiten als mit den vorangegangenen Lösungen. Das sind nicht Bauchgefühle, sondern ist durch Zahlen belegbar. Grundsätzliche Debatten und Beurteilungen über angebliche Vor- oder Nachteile von Formaten haben doch mit der Realität nichts zu tun. Vielmehr muss ich mir zuerst die Frage stellen: Für was brauche ich die Maschine? Wir setzen die beiden HP Indigo 100k für vieles ein: Broschüren, Plakate, Visitenkarten, Verpackungen. Wir können auf der Maschine problemlos Karton mit einem Flächengewicht von 400 g/m² verarbeiten. Ich bezeichnen die beiden Maschinen als unsere eierlegenden Wollmilchsäue. Ohne diese Maschinen könnten wir unser Angebot im Verpackungsdruck nicht so stark ausbauen, wie wir es jetzt tun. Darum komme ich wieder auf die Frage zurück, die ich grundsätzlich stelle: Für was brauche ich die Maschinen? Wir haben mit der zweiten HP Indigo 100k eine 70×100- und eine 30×50-Bogenoffsetmaschine ersetzt. Doch das ist nicht der der Hauptgrund, dass wir in diese Technologie investierten. Es sind heute schlicht die einzigen Lösungen, mit denen wir unsere Firmenstrategie im Standbein hochwertiger Drucksachen und Verpackungen umsetzen können, vollindividuell, vollflexibel, zukünftige Marktentwicklungen im Visier. Das ein Akzidenzdrucker, der für seine im reinen Akzidenzdruckgeschäft eingesetzte Offsetmaschine einen 1:1-Ersatz sucht, vielleicht nicht so viel mit einer B2-Digitaldruckmaschine anfangen kann, verstehe ich. Aber ist das der richtige Weg?»

B2-Digitaldruck – wie weiter?

Steffen Tomasi «schwört» auf seine HP Indigos 100k. Was zeichnet die Systeme aus? In einer für ihn typischen Weise fasst Steffen Tomasi es so zusammen: «Sie haben es vollständig im Griff wie kein anderer. HP Indigo bietet nun seit über einem Jahrzehnt B2-Digitaldruckmaschinen an, und da spürt man einfach den enormen Erfahrungsvorsprung, den sie gesammelt haben. Die HP Indigo 100k war und ist da ein weiterer grosser Schritt. Als wir 2021, also mitten in der Pandemie, ins Technologie-Zentrum nach Barcelona gingen, versprach man uns 30 Prozent mehr Produktivität. Ich bin da immer skeptisch und dachte: erzählt nur ein bisschen. Als dann die Maschine bei uns anlief, bestätigte sich das aber vollkommen. Ich weiss, das hört sich jetzt ein bisschen komisch an, wenn der Tomasi so was sagt: ich bin begeistert! Gleichzeitig möchte ich der CHROMOS Group ein Lob aussprechen, ihre Service-Betreuung und Unterstützung ist hochprofessionell. Wir verlassen uns natürlich nicht nur auf diese externe Hilfe. Wir halten alle unsere Operateure auf dem höchstmöglichen Ausbildungs- und Qualifikationslevel, sodass wir vieles im Service und Unterhalt selbst vornehmen können. Das gilt nicht nur bei den Indigos, sondern in allen Produktionsabteilungen.» Und was bringt die Aufrüstung auf den 120K-Standard Ende Jahr? Steffen Tomasi: «Die Modularität und die Möglichkeit, bestehende Maschinen auf den neuesten technologischen Stand aufzudatieren, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor von HP Indigo. Mit 120K setzt man vor allem auf den smarten Umgang von KI. Damit wird die Maschine noch produktiver, Standzeiten werden reduziert, Prozesse automatisiert.»

Ist, im Hinblick auf das Hohelied auf die Qualitäten von HP Indigo, gerade im B2-Format, dieser Wettbewerbsvorteil angesichts weiterer Neuvorstellungen in diesem Segment auf der Drupa 2024 nicht infrage gestellt? Steffen Tomasi: «Jetzt muss ich sehr vorsichtig sein, was ich sage. Ja, es stimmt, es gibt immer mehr Anbieter, die ins B2-Digitaldrucksegment drängen. Da sieht man spannende technologische Ansätze und interessante Lösungen. Wenn ich aber das Gesamtpaket anschaue, dann hat HP Indigo nach wie vor die Nase klar vorne. Daran wird sich meiner Meinung nach nicht so viel ändern in der nächsten Zeit.»

Letzte Frage an Steffen Tomasi, einen der «Wortgewaltigen» in der Branche: was sollten seiner Meinung grafische Unternehmen tun, wenn es um Neuinvestitionen im Bereich der industriellen Produktionsmittel geht? Steffen Tomas: «Die meisten ersetzen eine bestehende Lösung und denken nur im Rahmen einer Ersatzinvestition. Sie sollten sich aber immer folgende Frage stellen: Was will ich eigentlich mit der neuen Maschine? Wenn ich etwas Bestehendes mit einer Neuinvestition ersetze, die nur Bestehendes weiterführt, entwickelt sich mein Unternehmen nicht weiter. Wenn ich mein Unternehmen aber in einem Markt, der sich permanent wandelt, nicht weiterentwickle, wie will ich da langfristig bestehen?»

Dieser Artikel erschien im September 2024 in der Fachzeitschrift swiss print+communication

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